„Die Schule von Kyiv“ war ein translokales Projekt, das an siebzehn verschiedenen Orten in Kiew, sowohl an expliziten Kunstorten wie Museen, Akademien, Bibliotheken als auch an eigens adaptierten Locations wie einem leerstehenden sowjetischen Einkaufszentrum im Herzen der Stadt stattfand. Mehr als 160 Arbeiten von ukrainischen und internationalen Künstler:innen waren in Kiew zu sehen. Es fanden im Rahmen des Projekts Workshops, Lectures und Diskussionen statt. Ebenso gab es auch Ausstellungen und Projekte mit Partnerinstitutionen in Europa, etwa in Karlsruhe, Leipzig, Istanbul und Berlin. Das Projekt machte sich zum Ziel, die aktuelle Situation und Beziehung zwischen der Ukraine und Europa zu beleuchten und damit einen Raum des Aufzeigens und des Austauschs zu schaffen.
Es gab mindestens zwei Veranstaltungen täglich, die von internationalen und lokalen Künstler:innen und Theoretiker:innen gestaltet wurden. Diese Verschränkung von Ausstellungen mit Schulen und Orten der Begegnung wurde als zukunftsweisendes Format kommentiert. Eine grundlegende Intention des Konzepts war die Anknüpfung an die großen europäischen Leistungen der ukrainischen Kunstgeschichte (Abstraktion, Realismus), um so auch einen neuen Blick auf die Moderne und Gegenwart zu fördern. Gleichsam sollten gegenseitige Perspektiven auf die jüngere Geschichte und aktuelle Situation verhandelt werden.
Der Wiener Teil des bei SHIFT eingereichten Projekts richtete seinen Fokus auf vier Schulen: die Schule des Reichtums, die Schule der Einsamen, die Schule des Teufels und die Schule der Ortslosen, die sowohl in Kiew als auch in Wien zu sehen waren.
So zeigte „Die Schule des Reichtums“ im MUSA einen neuen Fokus und erweiterte das Kiew-Projekt, indem es nur für Wien produzierte Arbeiten, wie z.B. Franz Kapfers Installation „Die Steppenbeuter“ (2016), präsentierte. „Die Schule des Reichtums“ im MUSA verzeichnete innerhalb seiner zehntägigen Laufzeit um die 1.000 Besucher:innen.
„Die Schule der Ortslosen“ zeigte in der städtischen Bücherei an der Philadelphiabrücke eine Ausstellung zu einem Berliner Projekt von Marina Naprushkina, die ihr Atelier Asylwerber:innen zur Verfügung stellte. Sie präsentierte ihr Buch „Neue Heimat“ und Linolschnitte aus den Workshops mit Migrant:innen.
Ein weiteres durch SHIFT ermöglichtes Projekt ist Ben Fodors Installation „Die Wand“, welches in Floridsdorf, Favoriten und schlussendlich am Stephansplatz gezeigt wurde, um im öffentlichen Raum Anstöße zur Diskussion über Abschottung und Offenheit zu geben. Ein weiterer Veranstaltungsort für die Kiewer Künstler:innen war das WUK. Hier wurde eine Ausstellung der Künstler:innen- und Aktivist:innengruppe Hudrada gezeigt, die von blinden Flecken der ukrainischen Kunst der letzten dreißig Jahre ausging und als weiteren Schwerpunkt politische Performances in Kiew zum Inhalt hatte. Das WUK stellte den Künstler:innen sogar ein Wohnatelier zur Verfügung.
Neben sechs Ausstellungen fanden in Wien auch über dreißig Veranstaltungen, Diskussionen, Ausführungen und Performances sowie spezifische Events im öffentlichen Raum statt: etwa eine Stadtwanderung mit dem ukrainischen Künstler Volodymyr Kuznetsov und einer Expert:innengruppe aus Soziolog:innen, Stadtforscher:innen, ukrainischen und russischen Migrant:innen sowie der Wiener Bevölkerung. Zu den performativen Highlights des Projektes zählte die Darbietung der Kompanie um Mikhail Koptev, der im Projektraum des WUK eine anarchisch-exzessive Modeschau vorführte, die in der Ukraine Tabus bricht, im Westen längst akzeptiert ist und hier frenetisch gefeiert wurde. Die Projekte der Kyiv Biennale, die sowohl in Kiew als auch Wien bei freiem Eintritt zu besuchen waren, sorgten für einen großen Besucher:innenandrang und hinterließen nachhaltige Spuren in der Ukraine, insbesondere bei der kritischen und jungen, engagierten Öffentlichkeit. Die Biennale wurde als Modell für eine korruptionsfreie, demokratische und selbstbestimme Zukunft des Kulturbetriebs und darüber hinaus als Modell für gesellschaftliches Engagement und Eigeninitiative verstanden. Diese Selbstbestimmtheit hatte aber auch zur Folge, dass über „Die Schule von Kyiv“ eine Vielzahl der von Oligarchen dominierten Medienunternehmen in der Ukraine nicht berichteten. Dies war auch der Grund dafür, möglichst viele der Künstler:innen und Theoretiker:innen aus Kiew nach Wien zu holen, um einen Austausch und die Weiterentwicklung von Produktionen zu ermöglichen.