Marissa Lobo, Njideka Iroh

Bodies of Knowledge

Gruppe von Menschen auf Sesseln in Kreisformation mit einem rot-gelb gemusterten Teppich in der Mitte

Multiplying Marginalised Subjectivities of Utopia through Art and Storytelling

Fokus des interdisziplinären Projekts war es, die Erfahrungen einer scheinbar jungen Präsenz afrikanischer Diaspora in Wien durch eine erneute Betrachtungsweise auf das Erbe europäischer Kolonialgeschichte in direkte Beziehung zu setzen. Auf Basis kollektiver Kunstproduktion, Formen des künstlerischen Aktivismus, Storytelling und theoretischen Auseinandersetzungen war es erklärtes Ziel, einen wesentlichen Beitrag im Spektrum dekolonialistischer Arbeiten zu leisten und diesbezügliche Strategien sowie afrofuturistische Perspektiven sichtbar zu machen. Österreich und seine Migrationspolitik wurden dabei als Teile der europäischen Kolonialgeschichte kontextualisiert, innerhalb derer Diaspora-Erfahrungen gelebt werden. Hinsichtlich der Bedeutung kultureller Aneignung, der darin eingelagerten Rolle von Wissen und dessen Möglichkeit der Reproduktion stellt sich die zentrale Frage, wer über Formen der Dekolonisation sprechen darf und soll. Inwieweit gibt man Kunstproduktionen innerhalb der afrikanischen Community in diesem Zusammenhang Präsenz und Aufmerksamkeit?

Vor diesem Hintergrund begleiteten folgende Fragen das Projektvorhaben: Wie kann dekolonialistische Theorie in Europa de- oder kontextualisiert werden? Ist ein Entkoppelungsprozess Europas mit seiner Kolonialgeschichte hinsichtlich gegenwärtiger Strukturen möglich? Wie kann eine dekolonialistische Sprache realisiert oder der eurozentristsche Raum dekolonialisiert werden? Zur Verhandlung dieser Fragen wurde während des Projektprozesses eine Art „politisches Kunstfeld“ geöffnet. Im Verlauf von sieben Monaten präsentierte man eine Reihe von Interventionen, künstlerischen Aktivitäten und Veranstaltungen, um einen transnationalen künstlerischen Raum für Präsentationen, Austausch und Diskussion temporär zu etablieren. Im Rahmen einer Kollaboration mit „Sound of Blackness“ und dem Magazin „Fresh – Black Austrian Lifestyle“ fand die Auftakt-Veranstaltung unter dem Titel „Space is the Place“ in der Roten Bar im Volkstheater statt. Auf dem Programm standen Performances von Yusima Moya, einer Präsentation von künstlerischen Arbeiten Annie Gonzagas und Video-Projektionen, umrahmt von einem musikalischen Programm im Nahbereich afrikanischer Sound- und Klangwelten. Das Event markierte den Beginn einer Serie von Interventionen im öffentlichen Raum, wie einer Plakatkampagne auf Basis fotografischer Arbeiten von Luiz Lima, einer Sound-Installation im U-Bahn-Bereich des Karlsplatzes sowie Live-Painting-Performances der brasilianischen Künstlerin Annie Gonzaga am Yppenplatz. In Kooperation mit Radio Orange 94.0 wurde der erste „SISTAH Slam“ initiiert. Die Gewinnerin des Radio-Jams wurde eingeladen, bei der Veranstaltung „Poetic Narratives of the Diaspora – Performance Night“ in der Brunnenpassage ihre Performance zu präsentieren. Ebenso Teil der Poetry-Events waren exklusiv für Mitglieder der afrikanischen Community in Wien angebotene Poetry-Workshops.

Ein weiteres Highlight während der sieben Projektmonate stellte das mehrtätige Symposium „Bodies of Knowledge Encounters“ in der Sargfabrik dar. Das transnationale Treffen brachte afrikanische, lateinamerikanische und indigene Theoretiker:innen, Aktivist:innen, Geflüchtete und Künstler:innen zusammen, um über Realitäten in der Community-Organisation zu sprechen, Erfahrungen auszutauschen und so kollektives Wissen zusammenzutragen.

Dabei konnte das Projektteam rund um Bodies of Knowledge das erste in Wien stattgefundene Symposium ins Leben rufen, das es ermöglichte, sowohl afrikanische, queere, trans* und indigene Realitäten in einer gemeinsamen Erzählung zu verbinden. Ein wichtiger Schritt, um eine der tradierten Geschichte entgegengesetzte historische Narration zu schaffen. Schauplatz des „Bodies of Knowledge“-Finales war das Nordlicht in Floridsdorf. Unter dem Titel „KuWe’re* Slaying, KuWe’re* Staying!“ wurde ein ganzer Abend mit einer Reihe an performativen Darbietungen gefüllt und musikalisch umrahmt. Das Projekt hat es geschafft, das Netzwerk der afrikanischen Diaspora in Wien zu stärken und gleichsam Aufmerksamkeit auf diese gelebten Realitäten, ihre gesellschaftlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen herzustellen und Räume des Dialogs zu initiieren.

Team

Marissa Lobo
Njideka Iroh
Annie Gonzaga
Yuderkys Espinosa Mimoso
Tatiana Nascimento dos Santos
Sandra Torres Bello
Cana Bilir-Meier
Tonica Hunter
Cecilia Tasso
Jeannine Angerbauer
Elisabeth Mtasa
Jennifer Ndidi Iroh
Marcia Green
Noemi Auer
Roberto Caro