Die zentrale Auseinandersetzung des „Real Deal Festival“ galt dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie und den darin eingeschriebenen gesellschaftlichen Bedeutungsebenen. Das multimediale Festival wurde aus zwei einander bedingenden künstlerischen Prozessen heraus konzipiert. Unter der thematischen Klammer „Wrong Delivery“ fanden 15 Interventionen und gezielte performative Aktionen statt, verteilt im öffentlichen Raum der Stadt Wien und mit dem Ziel, die alltägliche Wahrnehmung zu irritieren und herauszufordern. Dabei fanden sich z.B. Fans des Wiener Sportclubs vor den Toren des Wiener Musikvereins zusammen, um ihre eigene Vorstellung von einem „richtigen“ Chorkonzert zum Besten zu geben. Eine andere Aktion brachte den sonst an den Rändern der Stadt angesiedelten „Arbeiterstrich“ in den ersten Wiener Gemeindebezirk.
Das daraus entstandene Material wurde gesammelt, als dokumentierte künstlerische Bruchstücke bzw. Erkenntnisse zusammengetragen und am örtlich entrückten „Hafengelände“ (Real Deal) ausgestellt. Die Idee dahinter lautete, mutierende Orte der Gemeinsamkeit, der Konfrontation und des Austauschs zu schaffen. Die örtlich wie inhaltlich deplatzierten Kunstaktionen und so entstandenen Verhandlungsräume sollten dazu einladen, bestehende Gesellschaftskonzepte und tradierte Strukturen zu hinterfragen. Das „Hafengelände“ fungierte dabei sowohl als Anfangs- wie Endpunkt dieser „falsch zugestellten“ Kunstaktionen und diente als Experimentierfeld, in dem neue, utopische Gedanken- und Erlebnismodelle evoziert werden konnten. An zwei Wochenenden kulminierte der künstlerische Prozess des „Wrong Delivery“ in einem multimedialen Großereignis. Insgesamt beteiligten sich 60 bis 70 internationale Künstler:innen mit zahlreichen Performances, Installationen und Konzerten und erarbeiteten gemeinsame Stücke mit dem Festival-Team. Das Festivalgelände war sowohl Konzerthalle als auch Museum, überbrückte unterschiedliche Kunstsparten und bot Raum für Video ebenso wie für bildende Kunst.
Das „Real Deal Festival“, von den Initiator:innen auch „Festival am Zentrum der Peripherie“ genannt, wurde als Ort ohne soziale Codierung gefeiert, in dem sowohl Diversität als auch Widersprüchlichkeit gleichberechtig nebeneinanderstehen konnten. Dabei erwies sich bereits das Zusammenspiel des Areals der Gösser-Hallen mit den einzelnen verzweigten Stationen als sehr spannendes Gesamtkunstwerk. Ein Höhepunkt der beiden Wochenenden warunter anderem die von God’s Entertainment konzipierte Ausstellung „Entartet 2018“. Vor dem Hintergrund gegenwärtiger politischer Spannungen wurde ein fiktives Szenario über die gesellschaftliche Rolle der Kunst im Jahr 2018 mit eindrucksvollen Gemälden und Sound- und Videoinstallationen künstlerisch zum Ausdruck gebracht. Ein eigens gebautes Glücksrad diente als politisch korrektes und daher geeignetes Mittel, Zutritt zum Festival zu erhalten. Dabei konnte jede:r, gemeinsam mit Prof. Zufall und Dr. Willkür, auf Basis der Gleichberechtigung um seinen:ihren Eintrittspreis spielen – mit mehr oder weniger Glück oder Pech. Ein weiteres Highlight im Bereich Performance bildete die Darbietung des US-amerikanischen Choreographen Keith Hennessy – einem wandelbaren Vermittlungskünstler zwischen Wahrnehmung und Interpretation, Chaos und Struktur. Konzerthöhepunkte waren der New Yorker Rapper Zebra Katz, der seinen Auftritt in Form einer artistic residency während des Festivals konzipierte, die heimische Freetechno-Instrumental-Band Ventil und das zur Körpererfahrung mutierende Soloset Peter Kutins. Eine analoge Jukebox mit live performenden Musiker:innen – natürlich erst nach Bezahlung durch eingeworfener Münze – ließ viele Herzen höher schlagen. Fernab gewöhnlicher Festivalstrukturen wurden verschiedene Genres gekonnt miteinander kombiniert und zu einem künstlerischen Experimentierfeld verwoben. Politische Belange wurden dabei ebenso verhandelt wie Sinnes- und Körperwahrnehmungen erforscht. Mit dem stadtübergreifenden Kunstprojekt wurde ein Großereignis abseits des kulturellen Mainstreams, aber innerhalb urbaner Wachstumszonen zu einem außerordentlichen Kunsterlebnis.
Der künstlerisch verhandelte Aspekt der Dezentralität verweist auf die Wichtigkeit, die Zukunft und Komplexität der Stadt nicht im Zentrum, sondern in der fragmentierten Vielfalt der Peripherie zu denken.